Rezension: „Politische Online-Kommunikation im kolumbianischen Präsidentschaftswahlkampf 2010.“

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Rezension: Leschzyk, Dinah: „Politische Online-Kommunikation im kolumbianischen Präsidentschaftswahlkampf 2010. Eine Kritische Diskursanalyse“. Frankfurt a. M.: Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften 2016, 434 Seiten.

Das Wahljahr 2018 wird laut Meinung vieler Experten schicksalsentscheidend für Kolumbien werden. Die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr werden bestimmen, ob das Land den politischen Weg des scheidenden Präsidenten Juan Manuel Santos weiter geht oder in verlässt, um auf alten Wegen dem populistischen Stil der Partei des Ex-Präsidenten Álvaro Uribes zu folgen.

Die Dissertation der Sprachwissenschaftlerin Dinah Leschzyk über den Präsidentschaftswahlkampf zwei Legislaturperioden zuvor, kann helfen, die jetzige Situation besser zu verstehen. Leschzyk zeigt in ihrer Arbeit auf, wie politische Online-Kommunikation seit seinen Anfängen in Kolumbien verwendet wurde. Viele ihrer Ausführungen treffen so auch auf den heutigen Wahlkampf zu.

Der sperrige Titel „Politische Online-Kommunikation im kolumbianischen Präsidentschaftswahlkampf 2010. Eine Kritische Diskursanalyse“ sollte nicht davor zurückschrecken lassen, dieses über 400 Seiten starke und theoriegeladene Werk zu lesen. Auch wenn der Stil der Autorin sich nicht zur Bettlektüre eignet, hilft sie mit ihrem strikten und kompakten Analysevorgehen zum Verständnis des Themas bei. Die einzelnen Kapitel können gut auch für sich alleine bestehen und bieten so ein hervorragendes Nachschlagewerk.

Einerseits erleichtert der immer gleiche Aufbau der Kapitel den Zugriff und ermöglicht einen guten Vergleich der einzelnen Kandidaten, andererseits kann dies für einige Leser aufgrund der ständigen Wiederholung des Themas aber auch anstrengend sein. Die gegenderte Sprache hilft dem Lesefluss ebenfalls wenig, auch wenn sie durchaus zum Nachdenken der Geschlechtergleichheit anregt.

Wie bei fast allen Arbeiten die den methodischen Ansatz der Diskursanalyse wählen, ermüdet der Theorieteil fachfremde Leser sehr schnell. Die Komplexität und auch die wissenschaftliche Kontroversität der Methode lassen der Autorin aber fast keine andere Wahl. Insgesamt ist das Thema methodisch und quellentechnisch sehr gut abgegrenzt.

Abgesehen von dem Theorieteil, ist es faszinierend wie Leschzyk sich durch die Masse an Quellenmaterial wühlt, es ordnet, die oft fahlen und schier kryptischen Tweets, Blogs und Facebook-Postings aufdröselt, in ihre semantischen Textbausteine zerlegt, analysiert und in Vergleich zu denen der politischen Konkurrenz setzt. Die graphischen Wortwolken, die die Autorin zur Verbildlichung des Overwording der Kandidaten verwendet, sind einmalig und ein perfektes Mittel, um den politischen Diskurs zu veranschaulichen.

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Es ist nicht ganz klar, ob die Autorin sich auch vor Ort für ihre Forschungen aufgehalten hat. Allerdings fällt auf, dass die Arbeit von jemandem geschrieben wurde, der nicht unbedingt mit den politischen und historischen Gegebenheiten Kolumbiens vertraut ist. Einerseits ist dies positiv zu bewerten, da die Autorin sich durch ihren Abstand zum Geschehen extrem wertneutral zu diesem hochpolitischen Thema äußern kann. Andererseits kommt der Kontext der Wahlen dabei etwas zu kurz und der Leser wird mit einer ausführlichen Textanalyse alleine gelassen.

Mehrmals werden Themen genannt, die in der Online-Kommunikation vorkommen, die dann aber nicht in den zeitlichen und kolumbianischen Kontext gestellt und erklärt werden. Obwohl Kolumbien im Titel auftaucht, ist es eigentlich kein explizit kolumbianisches Thema und kann so ähnlichen Arbeiten in anderen Regionen als Vorlage dienen. Welchen Bezug Leschzyk zu Kolumbien hat und warum sie sich gerade dieses spezielle Land für ihre Arbeit ausgesucht hat, bleibt leider offen. Trotzdem ist die Arbeit gerade auch aufgrund ihres Nischenthemas, der strikten methodischen Herangehensweise und des bearbeiteten umfangreichen Quellenmaterials sehr gelungen.

Auf Englisch veröffentlicht in: IBEROAMERICANA. América Latina – España – Portugal. Bd. 18, Nr. 68: (Mayo-Agosto 2018), Seite 75-76.


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